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    Fritz Heukrodt
    Drei Jahrzehnte Busfahrer und Beichtvater Magdeburger Sportler


    Fritz Heukrodt war 30 Jahre lang Busfahrer und „Beichtvater“ der Magdeburger Leistungssportler. Viele der ehemaligen Aktiven haben seine Geradlinigkeit, Ehrlichkeit sowie sein Gerechtigkeitsempfinden lieben und schätzen gelernt. Heute ist Fritz Heukrodt Mitglied im Ältestenrat des SC Magdeburg.

    Altstadt. Der 1920 in Altenweddingen geborene Fritz Heukrodt war im 2. Weltkrieg Kraftfahrer und wollte sich von dieser „Berufung“, wie er sie nennt, nicht trennen. So kam er zum VEB Bau-Union Magdeburg als PKW- und LKW-Fahrer und durch die Verbindung zu den Wasserballtrainern Rudi Lack und „Vatti“ Fangero sowie der Vermittlung von Horst Pooch 1955 zum SC Aufbau Magdeburg. Dem hielt er als Busfahrer bis zum Renteneinstieg die Treue, gehört Heutzutage dem Ältestenrat des SCM an.

    Sein ganzer Stolz ist aber Sohn Olaf, der Olympiasieger, mehrfache Olympia- und Weltmeisterschaftsmedaillengewinner und Präsident des deutschen Kanuverbandes. Den in Berlin Wohnenden würde er gern noch öfter zu Besuch haben.

    „Ich habe meinen Beruf als Busfahrer geliebt“

    „Ich habe meinen Beruf als Omnibusfahrer des SC Magdeburg geliebt und auch ganz bewusst genossen. Die vielen Hunderttausend Kilometer hinter dem Lenkrad des ungarischen „Ikarus“ oder des „braven“ Zittauer „Robur“ waren zwar nicht immer das reinste Vergnügen, aber nur, was die Technik, die Straßen und den Komfort anbetraf. Diese Fahrten bleiben mir unvergessen.“

    Mit fast zwei Meter Körpergröße galt er nicht nur bei seinen Sportlern als Respektperson, sondern wurde beim Aussteigen aus seinem Bus oft für einen Athleten gehalten. Das besonders in den ersten Jahren. Wenn er die Boxer fuhr, hielt man ihn schon mal für das neue Gesicht im Schwergewicht.

    Später hätte man ihn jederzeit als Trainer akzeptiert. Seine guten Kontakte zu den verschiedensten Sportarten verschafften ihm ein Grundwissen, das manchem Fachmann zur Ehre gereicht hätte. Seine bestimmte, allerdings sehr bescheidene Art hatte ihn nie in Versuchung gebracht, sich als ein solcher auszugeben. Das Insiderwissen über die Sportler blieb immer sein Geheimnis. Für viele junge und sogar erfahrene Wettkämpfer war er eine Art Beichtvater. Obwohl er „dicht“ hielt und nie als Sprachrohr auftrat, konnten die Trainer in Gesprächen zwischen den Sätzen die eine oder andere versteckte Hilfe für den Umgang mit ihren „Anvertrauten“ heraushören. So war er oft eine Unterstützung für beide und ungenannt an den Erfolgen beteiligt.

    Für die bedeutsame Phase der Wettkampfvorbereitung war eine harmonische Anreise sehr wichtig. Das Gefühl des Geborgenseins und der Sicherheit schlugen sich darin nieder, dass sich alle Mitfahrenden ihren kleineren Hobbys widmen oder getrost bei einem kleinen Nickerchen vom kommenden Erfolg träumen konnten. Auf der Rückreise ging es dann doch ein wenig ergebnisabhängig feucht-fröhlich oder trocken-gesetzt zu. „Fritze“ hatte vorher die meisten seiner Passagiere in ihrem Wettkampf beobachtet und sich ein Bild von ihnen gemacht. Seine subjektiven Einschätzungen trafen dann sehr oft den Kern.

    Handballer sorgten für fröhliche Touren

    Für besonders fröhliche Touren sorgten die Handballer. „Mit ihnen und den Leichtathleten gab es viel zu lachen und das eine oder andere Lied wurde im großen Chor gesungen. Einige waren dafür geradezu prädestiniert,“ muss der ehemalige Chef des Fuhrparks des SCM lachen. Vieles beruht eben auf Gegenseitigkeit. „Solche Cheftrainer und Trainer wie Günter Wenke, Martin Sanne, Klaus Miesner, Walter Heine, Hans-Jürgen Wende, Ernst Schmidt, Kurt Schwarz oder Jürgen Laabs hatten organisatorisch immer alles im Griff, genau geplant und straff realisiert. Meine Kollegen Henry Wiedemann, Peter Matthes, Manfred Hopfgarten, „Schappi“ Schaper und ich versuchten das durch bestmögliche Vorbereitung und zügige, sichere Fahrweise ihnen gleichzutun.“ Er fuhr 30 Jahre seine Sportler ohne Unfall.

    Fritz Heukrodt, der alle Größen des Magdeburger Leistungssports in 30 Jahren chauffi ert hat, könnte Seiten füllen, wenn er über deren Marotten oder liebenswerte Verhaltensweisen berichten würde. So weiß er, dass es einer persönlichen Beleidigung gleichkam, wenn die Leichtathleten mit ihm unterwegs waren und der Platz neben ihm in der ersten Reihe besetzt war – der gebührte dem Dienstältesten, Klaus Wübbenhorst. Ein genaues Ritual der Platzverteilung gab es bei den Handballern für Klaus Miesner, Heinz Hercke und die „Klammerrunde“ der fanatisch Kartenspielenden. Sehr gern habe er sich mit Bernd Henneberg, Annelie Ehrhardt, Margrit Herbst und Dagmar Käsling unterhalten, die er bereits als Kinder und Jugendliche gefahren habe und deren Lebensweg er genau verfolge.

    Ein großer Pokal in seiner gemütlichen Wohnung im Stadtzentrum erinnert ihn auch an eine einmalige Begebenheit: Nach der Rückkehr von einer beschwerlichen Fahrt aus dem polnischen Kielce mit den Leichtathleten beendete Cheftrainer Wenke die Reise mit den Worten: „Den Pokal für die beste Leistung erhält... Fritz Heukrodt“.

    Da habe er eine Gänsehaut bekommen. Aber auch während einer Pause am Start und Ziel auf dem Nürburgring mit den Handballern. Plötzlich setzte sich sein Bus allein in Bewegung – allein, das dachte er. Quietsch vergnügt stieg mit den Worten „ich bin auf dem Nürburgring Bus gefahren“ Torwart Hans Käpermann aus. Und hatte wieder die Lacher auf seiner Seite.

    „Als sehr angenehm fand ich bei den Reisen mit den Fußballern, wenn Heinz Krügel mit mir das Zimmer teilte und wir so richtig fachsimpeln konnten“, denkt „Fritze“ gern zurück.

    Es gab nicht nur angenehme Momente

    Allerdings gab es im Leben des rüstigen, fast 85 jährigen Alleinstehenden nicht nur angenehme Momente. Ganz hart traf ihn der sehr frühe Tod seiner ersten und dann auch seiner zweiten Ehefrau kurz nach der Geburt ihres Sohnes Olaf. Vor fünf Jahren starb auch seine dritte Frau, die sich besonders intensiv und liebevoll – vor allem während seiner häufi gen berufl ich bedingten Abwesenheit – um die Erziehung des aufwachsenden Olaf gekümmert hatte.

    Herzlos empfand er die Entscheidung des Präsidenten des DTSB der DDR, der nach dem plötzlichen Tod des Handballtrainers „Akki“ Kandula kurz vor Beginn des Oberliga-Spieles Dynamo Berlin gegen den SC Magdeburg dieses trotzdem in der Berliner Dynamosporthalle anpfeifen ließ. Seiner Geradlinigkeit, Ehrlichkeit und seinem Gerechtigkeitsempfi nden widersprach diese Entscheidung zutiefst.

    Von Willi Olfert

      
    (VS)